Sessionsrückblick:
Sommersession 2025
Chemie-Bratwürste, ungeteilte Standesstimme, Artillerie und ein Shitstürmchen
In dieser Session ist Schaffhausen nur mit einem Ständerat vertreten. Was bedeutet das und wäre eine ungeteilte Standesstimme, bei der beide Ständeräte gleich abstimmen, tatsächlich besser für Schaffhausen, wie immer wieder behauptet wird?
Das angeblich wichtigste Argument für die ungeteilte Standesstimme: Man müsse verhindern, dass sich zwei Stimmen „gegenseitig aufheben“, damit die kantonalen Anliegen gut vertreten seien. Dabei geht es auch im Ständerat fast nie um kantonale Fragen. Ein Beispiel: Letzte Woche hat der Ständerat eine Motion überwiesen, die fordert, dass PFAS-belastete Lebensmittel – also solche mit sogenannten „ewigen Chemikalien“ – mit unbelasteten Produkten vermischt werden dürfen, solange das Endprodukt unter dem Grenzwert bleibt. Klingt harmlos? Ist es nicht. Renommierte Expertinnen und Experten warnen, dass sich die Stoffe im Körper anreichern würden und man das Gift einfach breiter verteile, wenn man kontaminierte Produkte darunter mische. Die Ständeräte von SVP, FDP und Mitte sahen dennoch kein Problem darin. Wenn es nach dem Ständerat geht, könnte Ihre Bratwurst also künftig aus einem Gemisch aus PFAS-belastetes Kalbsfleisch und unbelasteten Fleisch produziert sein. Bis sich die Menge der dabei eingenommenen PFAS halbiert hat, vergehen gemäss vier Jahre. Guten Appetit! Wäre es aus Sicht der Schaffhauser Bevölkerung nicht wichtiger, dass sich einer Ihrer Ständeräte gegen diese gesundheitsgefährdende Forderung ausgesprochen hätte als eine ungeteilte Standesstimme? Obwohl es gerne anders behauptet wird, stimmen Ständerätinnen und Ständeräte meistens auf Parteilinie. Auch Hannes Germann, von dem man sagt, dass er oft von der Parteilinie abweiche, folgt in 94.2 Prozent der Abtimmungen der SVP-Meinung. Das zeigt doch sehr deutlich, dass es eben auch im Ständerat mehr um Partei- als um Standespolitik geht. Es braucht keine ungeteilte Standesstimme im Ständerat, sondern Menschen, die Kompromisse zimmern und eingehen können. Es braucht knappe Mehrheiten, damit die Politikerinnen und Politiker gezwungen sind, mehrheitsfähige Lösungen zu suchen. Und schlussendlich ist es für einen Kanton doch immer dann am besten, wenn der politische Wille der Stimmbevölkerung möglichst gut abgebildet ist und nicht einfach die politische Mehrheit doppelt und eine starke Minderheit gar nicht vertreten ist- auch im Ständerat.
Nun aber zum Nationalrat: In der Armeebotschaft beantragte der Bundesrat Verpflichtungskredite in der Höhe von rund 1.7 Milliarden Franken. Einer Mehrheit der Sicherheitspolitischen Kommission war das nicht genug und sie beschloss in der Kommissionssitzung mit einer Hauruckaktion einen zusätzlichen Verpflichtungskredit von einer Milliarde für den Kauf von Munition für Systeme der bodengestützten Luftverteidigung und für Artilleriesysteme. Die bereits beschlossenen Investitionen in die Sicherheit der Schweiz strapazieren aber auch ohne diese zusätzliche Milliarde das aktuelle Bundesbudget und jene der nächsten Jahre. Ich habe mich deshalb gegen diesen zusätzlichen Kredit eingesetzt und im Nationalrat einen entsprechenden Antrag gestellt. Dieser wurde sowohl vom Bundesrat als auch von der Finanzpolitischen Kommission unterstützt. Mein Antrag wurde vom Nationalrat angenommen und der zusätzliche Verpflichtungskredit von 1`000 Millionen Franken damit wieder gestrichen.
Und nicht zuletzt habe ich in den letzten Wochen mein erstes Shitstürmchen erlebt. Nachdem ich einen Vorstoss mit Fragen zum Einfluss der AfD auf die Schweiz eingereicht hatte, machte der Blick daraus eine grosse Geschichte mit dem Titel: «Alice Weidel macht dieser Genossin Angst». Danach kürte mich das rechte Magazin Nebelspalter zum «Löli des Tages» und kurz darauf war mein Postfach voll mit beleidigenden Emails von unbekannten und wütenden Männern (es hatte tatsächlich kein einziges Email einer Frau darunter). So schnell geht es: In 10 Jahren kantonaler Politik habe ich nur ein böses Email erhalten. In einem halben Jahr nationaler Politik habe ich bereits aufgehört zu zählen.